Gespräch mit Frank Pohl, Vorsitzender WEPAG

Themen: Entwicklung Innenstadt Brühl / Pläne und Ziele 2023

Artikel im Brühler Markt Magazin, Erscheinungstermin 31. März 2023

1) Entwicklung der Brühler City

1.1 Die allgemeine Konsumzurückhaltung ist aufgrund der hohen Inflationsrate und der diversen Krisen nach wie vor präsent. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Einzelhändler in der Brühler City und das Konsumverhalten der Bürger?

Die Krisenhäufigkeit in den letzten 36 Monaten verunsichert die Bürger sehr. Erhöhte Lebensmittel- und Energiepreise drücken stark auf die Kauflaune. Auch Einzelhändler müssen Ihr Leben irgendwie bestreiten, sie trifft die Krise meist doppelt so hart wie die Verbraucher. Ausnahmslos jeder hat damit zu kämpfen. Das zermürbt und veranlasst den einen oder anderen zur Geschäftsaufgabe. In Brühl hatten wir lange Zeit, im Gegensatz zu anderen Städten, einen sehr guten Besatz an Einzelhändlern. Allmählich merken wir die wachsende Anzahl an Leerständen.

1.2 Viele Brühler wünschen sich eine autofreie Innenstadt. Wie passt das mit ihrem aktuellen Parkraumkonzept zusammen?

Ist das so? Brühl hat bereits eine autofreie Innenstadt. Manch einer wünscht sie sich noch autofreier. Was nützt uns eine Fußgängerzone, wenn ich sie nicht erreichen kann. Für alle Verkehrsteilnehmer muss es ausreichenden Zugang zur Innenstadt geben. Es muss auch dem Autofahrer weiter ermöglicht werden, in die Stadt zu gelangen. Wir sehen das im direkten Zusammenhang mit dem Online-Einkauf im Internet. Wenn ich den Zugang zur Innenstadt erschwere, treibe ich die Kunden in das Internet. Auswärtige Kunden, auf die der Einzelhandel und die Gastronomie dringend angewiesen sind, werden sich Alternativen suchen. Das Parkraumkonzept wird von der Stadt Brühl erstellt. Wir sind der Meinung, das wir neben der Tiefgarage im Aachener zwei Parkplätze im Süden und Norden brauchen. Der Süden ist durch die Giesler Galerie und das Parkhaus am Krankenhaus besetzt und im Norden ist es bis jetzt der Belvedere Parkplatz. Und da ist es wenig hilfreich, wenn die Ratsmehrheit von Rot/Grün den Belvedere Parkplatz für rund 6 Wochen für ein fragwürdiges Verkehrsexperiment sperren will. Wir haben sehr viele Rückmeldungen von den innerstädtischen Einzelhandels-, Gastronomie- und Dienstleistungsbetrieben, insbesondere aus der nördlichen Innenstadt erhalten. Kein einziger Betrieb hat auch nur ansatzweise Verständnis für dieses Planspielchen. Und die, die nördliche Innenstadt mit dem PKW aufsuchenden Kunden und Besucher werden nicht rot/grün zuliebe mit der Bahn oder dem Fahrrad anreisen. Diese werden sich ganz einfach Alternativen suchen. Und das wird den Standort Brühl schwächen.

1.3 Was tun sie bereits jetzt für eine nachhaltige Entwicklung in der Innenstadt (Stichwort Radwege, Fassadengrün, Solaranlagen, usw.)

Als WEPAG haben wir keinen Einfluss auf die Entscheidung der Stadt, Rad-, Fuß-, Verkehrswege zu gestalten oder über Fassadenbegrünung zu sprechen. Das ist Aufgabe der Politik. Wir sind die Interessensvertretung des Handels. Städtebauliche Konzepte werden im Rathaus erarbeitet.

2)  Pläne & Ziele 2023

2.1 Welche Pläne verfolgen sie im Hinblick auf die Attraktivitätssteigerung der Brühler City und welche konkreten Maßnahmen sind für dieses Jahr geplant?

Wir arbeiten stetig an unseren Veranstaltungen. Das letzte Jahr war von den Besucherzahlen sehr positiv. Oftmals sind es kleine Veränderungen, die nicht so sehr ins Auge springen. Als WEPAG bringen wir die Menschen in die Stadt. Die Einzelhändler müssen dann die Kunden mit Ihrem Angebot begeistern und Aufgabe der Stadt ist es, das vorhandene Parkraumangebot zu erhalten oder wenigstens in zumutbarer Nähe Alternativen zu schaffen.

2.2 Gemäß ihrem aktuellen Veranstaltungskalender dürfen sich Bürger aus Brühl und Umgebung wieder auf beliebte Event-Klassiker wie „Mobiles Brühl“, den Antikmarkt und die Margaretenkirmes freuen. Was gibt es Neues an den bewährten Formaten? Wie wird das Thema Nachhaltigkeit hier integriert?

Im Bezug auf das Mobile Brühl haben wir bereits im letzten Jahr angefangen, mehr auf Fahrzeuge mit alternativen Antriebsmöglichkeiten zu setzten. Auch in diesem Jahr werden über 65% der ausgestellten Fahrzeuge keine reinen Verbrenner mehr sein. Gerne würden wir mehr alternative mobile Angebote zeigen. Leider ist die Bereitschaft der Betreiber von Verleihsystemen und alternativen Mobilitätsformen nicht bereit, sich auf dem Mobilen Brühl zu präsentieren. Die Stadtwerke werden aber Ihr E-Carsharing erneut und darüber hinaus gemeinsam mit der RVK auch das Thema Nahverkehr vorstellen, was uns sehr freut.

Bereits auf dem Weihnachtsmarkt ist seit Jahren Mehrweggeschirr im Einsatz. Wo es nicht möglich ist, z.B. bei der Mitnahme von Speisen, wird versucht auf Plastik zu verzichten. Die WEPAG hat bereits vor fünf Jahren die Weihnachtsbeleuchtung auf LED umgestellt und spart 90% der Energiekosten ein. Auch die Betreiber des Weihnachtsmarktes haben auf LED-Beleuchtung umgestellt. Sie sehen, wo wir können, leisten wir unseren Beitrag.

2.3 Gibt es komplett neue Formate? Ist beispielsweise nach dem tollen Auftritt der deutschen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft ein Public Viewing anlässlich der WM in Australien geplant?

Die WEPAG wird kein Public Viewing veranstalten. Das hat schon bei den letzten WM-Ausstrahlungen im Sommer nicht funktioniert. Das Geschäft sollte man auch bei der Gastronomie belassen. Wir wollen keine zusätzliche Konkurrenz erzeugen. Ich möchte aber sagen, das mich das Spiel der Frauen Nationalmannschaft bei der EM sehr begeistert hat und mittlerweile bei mir mehr Interesse als bei Herren WM weckt.

2.4 Welche Ziele haben sie im Bezug auf die weitere Entwicklung der Brühler City?

Wir sind Brühler mit Leidenschaft für unsere Heimat. Wir möchten, das sich unsere City zum besten Ort der Begegnung, des verweilen und des Einkaufens entwickelt. Dazu bedarf es einer Anstrengung aller Akteure, die möglichst vielen Interessen nachkommt. Leider wird politisch zu oft in nur eine Richtung gedacht. Ich würde mir wünschen, das man Leerstände dazu nutzen könnte, Pop-Up Stores für junge und mutige Unternehmer zur Verfügung zu stellen. Das kann helfen, den Handel vor Ort wieder attraktiver zu machen und neue Impulse zu setzten. Dafür braucht man aber eine finanzielle Unterstützung.

3) Privat

3.1 Was tun sie persönlich für ein nachhaltiges Brühl?

Da darf ich wie in der letzten Frage antworten. Ich bin gebürtiger Brühler und Brühler mit Leidenschaft für diese Stadt. Aus diesem Grund bin ich hier auch ehrenamtlich tätig. Als Informationselektroniker beschäftige ich mich auch mit erneuerbaren Energien. Den Eigenen Stromverbrauch zu senken und selbst zu produzieren ist ein Beitrag. In der Freizeit bleibt das Auto oft stehen und ich gehe mit meiner Frau meist zu Fuß oder fahre mit dem Rad in die Stadt. Was ich gar nicht leiden kann, ist frisches Obst und Gemüse in Plastikverpackungen. Aus diesem Grund bin ich ein Fan vom Wochenmarkt auf dem Balthasar-Neumann-Platz.